Aus der Zeitschrift EinSicht Winter 2006
Wildpflanzen und Kulturpflanzen
von Susanne Loibl
Persische Schönheiten, Asiatische Hoheiten, Afrikanische Prinzessinnen, Amerikanische Auserkorene, Australische Besonderheiten! Ihnen wird Platz eingeräumt, die Erde
besonders vorbereitet, Schutz und Raum gegeben.
Die Selbstverständlichen, Heimischen, Vitalen und sogar Heilkräftigen müssen weichen.
Diese gibt es eh überall. Das
Seltsame hat eben einen höheren Stellenwert.
Pflanzen, die auf anderen Kontinenten wie Unkraut wuchern, werden bei uns als Topfblume gehetschelt oder bekommen einen besonderen Platz im Garten. Unsere wunderbaren Unkrautpflanzen sind UN. Wieso gibt es Unkraut? Haben nicht alle Pflanzen ihren Stellenwert und ihre Aufgabe im Gesamten? Es gibt doch nichts von der Natur geschaffenes, das nicht seinen Sinn hätte, also UNsinnig wäre.
Wir haben zum Teil unsere Sinne verloren, mit denen wir erkennen können, was in Pflanzen alles verborgen ist. All das verloren gegangene Erfahrungswissen unserer Vorfahren gilt es wieder zu entdecken, auszugraben, freizumachen.
Wenn unseren Wildpflanzen dieselbe Aufmerksamkeit und Liebe zuteil wird, wie den Kulturpflanzen, wie die dann schön und üppig blühen können.
Das Johanniskraut war
heuer ein gelber Teppich in unserem Garten.
Die Winden blühen dann, wenn die Pflanzen, an denen sie hochgeklettert sind, abgeblüht sind und verleihen diesen sozusagen
eine 2te Blüte. Ehrenpreis und Storchenschnabel füllen den Raum zwischen den anderen Staudenpflanzen.
Auch Unkraut kann wunderschöne Blüten tragen.
Natürlich freu ich mich über Pflanzen und Blumen im Garten, die bunt sind und große Blüten tragen. Die Stockrosen, der Phlox, die Lilien, der Rittersporn, die Rosen und
auch die weit hergeholten Kräuter. Ich liebe sie genauso wie die hiesigen.
Mit welcher Sorgfalt sind die Pflanzen von allen Kontinenten herbeigebracht worden. Was für
eine Vielfalt herrscht dadurch in unseren Gärten und wie viel Hingabe und Züchterwissen steckt in unseren Kulturpflanzen.
Wir dürfen als Gärtnerin nur nicht vergessen,
was die Natur uns von Vornherein sowieso und selbstverständlich zur Verfügung stellt.
Das Leben wirkt und webt eben in allen Farben.
Ich kooperiere so, dass meine Einheimischen wissen, dass auch die Eingewanderten und Ausländerinnen bei uns einen Platz haben und wir es ihnen so gemütlich wie möglich bei
uns machen. Sie werden eben wie gerngesehene Gäste behandelt, bis sie sich wie daheim fühlen.
Alle die Wildkräuter und die Kulturpflanzen haben ihren Wert und werden
von mir geschätzt, gehegt und gepflegt und mit meiner Aufmerksamkeit und Liebe bedacht.
Wir sollten der heimatlichen Landschaft unseren Dank erweisen, wenn sie sich zu
Gunsten eines von uns angelegten Gartens zurücknimmt. Ich glaube die Elementarwelt sieht neugierig zu, wenn wir einen Spiel- und Tummelplatz anlegen, den auch sie nützen
können.
Ein Garten ist ein Raum der schützt und birgt und Weiterentwicklung möglich macht. (Es heißt ja auch Kinder-Garten.)
Unsere Blumenkinder sind auf unsere Pflege und
Liebe angewiesen. Grenzen, Richtlinien und Vereinbarungen geben Schutz und Geborgenheit. Manchmal braucht man Grenzen um sich frei zu fühlen.
Wenn wir ein Stück
Landschaft unter unsere Obhut stellen, dann haben wir die Verantwortung dafür und tragen die Konsequenzen für unser Tun und Handeln.
Das Sowohl-als-auch gilt auch in
der Kooperation mit der Natur: Wildpflanze neben Kulturpflanze, Schnecke neben Salat, Zecke auf Katze, Natur neben Zivilisation.
Alles hat seinen Wert, seine Aufgabe,
seinen Sinn. Die Liebe hilft uns dabei das Wesentliche zu erkennen und alles zu verbinden.
Wir werden immer mehr und mehr verantwortlich für unser Denken, Reden und
Tun.
Wir dürfen jeden Tag von neuem üben, lernen und staunen.
Die Natur, unser Garten, die Familie und unsere Mitmenschen helfen uns dabei.