Aus der Zeitschrift EinSicht Herbst 2002

Gespräch mit Eike Braunroth

Eike Braunroth, Psychologe und Sonderschullehrer in Nordbayern, hat nach jahrzehntelangen Erfahrungen in eigenen Gärten ein Buch herausgegeben "In Harmonie mit den Naturwesen in Garten, Feld und Flur" (Neuauflage: "Heute schon eine Schnecke geküßt?"). Diese Naturwesen: Erde, Wasser, Luft, Sonne, Wärme, Wind und Wolken, Gewächse und Tiere, wirken durch unsere Liebe zu wunderbarem Einklang zusammen. Diese "Kooperation mit der Natur" ist kein willkommener Trick schnell, geschickt und billig unerwünschte Eindringlinge in unseren Garten bequem zu entsorgen, sondern die tiefe, heilige und demütige Erkenntnis, dass wir selbst fragwürdigste Eindringlinge in die viel älteren und für ihr Dasein unverzichtbaren Rechte dieser Wesen sind, wir, die wir unsere eigentliche Schöpfungsaufgabe der liebevollen Fürsorge als " ältere Brüder und Schwestern " vergessen haben! "Demut" (althochdeutsch dien-muot)ist keine willenlose, entwürdigende Unterwürfigkeit, sondern der Mut, seine eigene dienende Aufgabe in der Vernetzung aller zu erkennen und auszuüben zu wunderbarem Gedeihen aller.

Mit Eike Braunroth (EB) sprach Wolfgang Römhild aus Pforzheim (WR):

WR: Die z.Z. gültige Weltpolitik sieht im Terroristen keinen Mitmenschen, keinen Bruder, kein Gotteskind mehr und leitet daraus das Recht, ja die Pflicht ab, ihn schnellstens unschädlich zu machen, zu vernichten.

EB: Ist nicht aber auch der ein Terrorist, der andere dazu abstempelt, weil er sich selbst von den Gesetzen Gottes zu weit entfernt hat?

Wir sehen, dass in Krieg und Bedrängnis viel mehr männliche Wesen entstehen. Die göttliche Führung möchte also unbedingt die menschliche Art wie auch die Tierarten erhalten. Jede Art hat ja ihre unverzichtbare Aufgabe im Zusammenwirken aller zur Errichtung des göttlichen Friedens. Auch durch die Ereignisse der letzten Monate sind die Menschen bewußter geworden und enger zusammengerückt.

WR: Sie zeigen, dass sich Schädlinge, je mehr sie bedrängt werden, desto terroristischer aufführen durch Massenvermehrung und Fressverhalten. Ich habe dies in den letzten Jahren selbst erlebt: Mir machten Amseln Schäden im Garten. Und je mehr ich sie mit Netzen fernzuhalten und zu verjagen versuchte, desto mehr Ärger machten sie mir. So dass ich, obwohl ich ihren Gesang über alles schätze, schon fast mörderischen Hass bekam - den sie mir durch ihre Bosheiten dann genau widerspiegelten!

EB: Ja. Am leichtesten kann das der Gärtner und Bauer auf dem eigenen Lande beobachten. Solange er bestimmte Tiere als unerwünscht betrachtet und sich das Recht nimmt sie zu bekämpfen, wird er - zumindest bei den Arten, die auf der Erde noch eine Aufgabe haben - Widerstandskraft, Überlebensfähigkeit und Massenvermehrung erleben.

Alles von Menschen Betreute braucht als wirksamste Überlebenshilfe menschliche Zuwendung. Bleibt z. B. bei Wetterunbilden diese Liebeszufuhr aus, senden die Wesen Hilferufe aus, die von den so genannten Schädlingen als Zwangseinladungen wahrgenommen werden. So kommen erst Blattläuse oder Schnecken von außen, dann Schimmelpilze von innen. Diese "Schädlinge" haben keine Entscheidungsfreiheit wie wir, sie müssen den Naturgesetzen gehorchen, sind also schuldfrei! Sie kommen von weither, selbst wenn sie sofort totgespritzt werden. Dann kommen halt neue. Sie sind nicht unsere Gegner! Wie viel ersprießlicher wäre rechtzeitige und ausreichende Liebeszuwendung!

WR: Der Terrorist steckt folglich nicht im Gegenüber, sondern in uns! Seit ich gemäß Ihrem Vorbild die Amseln mit Freundschaft und Liebe behandle und ihnen Trink- und Badewasser hinstelle, spiegeln sie mir genau diese Freundlichkeit wider.

EB: Ja.

WR: Kann man daraus auch für die welt-weiten Terrorismusgefahren etwas lernen?

EB: Haben wir eigentlich schon darüber nachgedacht, wie sich die von uns als Terroristen behandelten Wesen selber fühlen? Wovor sie sich ängstigen, welche Bedürfnisse sie haben, was sie vom Leben für sich und ihre Nachkommen erhoffen, wodurch sie zufrieden wären? Muss man wirklich einfache und verständliche menschliche Bedürfnisse mit so viel Gewalt erzwingen? Terrorismus ist nicht eigentlich eine Ursache, gegen die wir anrennen sollten, sondern die Folge und Sichtbarmachung lieblosen Denkens und Handelns unsererseits.

WR: Aber können wir denn so einfach auf die Schädlingsbekämpfung zur Rettung der Welternten verzichten? Es verhungern ja jetzt schon so viele Millionen! Und manche Plantagenbetreiber müssen 3/4 ihrer Gewinne wieder in Spritzgifte stecken. Im ausgebluteten Afghanistan herrscht z.Z. Heuschreckenplage.

EB: Nach meiner Erfahrung und der vieler Anwender der Kooperationsmethode (die dann aber auch beherzigt werden muss!) sind die Erträge um mindestens 30 % sogar gestiegen! Hinzu kommt die Geldersparnis wegen des Verzichts auf Bekämpfungsmittel Aus diesen guten Erfahrungen erwächst eine Zuversicht auf die göttliche Freigebigkeit, die die verständliche Angst vor Mangel überwindet. Auch bei politischen Unstimmigkeiten hält uns die Natur gelegentlich den Zerrspiegel vor: So gab es erstaunlicherweise auch bei den Apartheidsunruhen in Südafrika verheerende Heuschreckenplagen.

WR: In der Weltgesundheit sind einige Seuchen überwunden worden. Wäre es nicht denkbar, durch gemeinsame Anstrengung aller Länder, Völker, Erdteile gewisse Schädlinge auszurotten? Vor über 50 Jahren gab es für DDT einen Nobelpreis!

EB: Ja, dieser Gedanke drängt sich der Menschheit immer wieder auf. Aber die

weltweiten Erfahrungen seit langer Zeit zeigen, dass dies ein Irrweg ist. Denn alle Lebewesen gehören zur Schöpfung und haben eine unverzichtbare Aufgabe, die die Schöpfung sich nicht nehmen lässt. Kakerlaken, Ratten, Schnecken überleben alle Bekämpfungen und werden gerade dadurch und deshalb zu Plagen.

WR: Selbst bei großen Schäden im eigenen Garten oder Bauernhof empfehlen Sie wie die berühmten Schweizer Rene und Francoise Egli (Das LOLA-Prinzip) Loslassen. Dieses Loslassen ist für Sie kein Aufgeben. Welches Weltbild steht dahinter?

EB: Ja, es ist etwa das Weltbild, das Sie auch haben in dem tiefen Geborgenheitsgefühl des 23. Psalms und in der Achtung aller Geschöpfe, wie sie in der 1. Schöpfungsgeschichte steht.

WR: In Ihrem Buche berichten Sie viele gute Erfahrungen mit dem Loslassen. Wollen Sie unseren Lesern auch eine schildern?

EB: Ich freue mich, dass ich oft in osteuropäische Länder eingeladen werde, wo die Notwendigkeit dieses Umdenkens immer mehr erkannt wird. So hatte ich ein lustiges Erlebnis in Kiew: Beim Frühstück entdeckte ich dort einen großen unbekannten Käfer und nahm ihn arglos auf beide Hände, wo er sich so wohl fühlte, dass er offensichtlich zu meiner Erheiterung fröhliche Tänze auf 3-4 Beinen aufführte. Die Tochter der Gastgeberin sah zu und sagte "tarakan" (Küchenschabe, Kakerlake). Da ich aber gerade frühstücken wollte, sagte ich der Kakerlake: "So, jetzt hast du genug getanzt, ich setze dich nun auf den Boden und du kannst gehen, wohin du willst." Seit diesem Vorfall ist in dieser Wohnung nie wieder eine Kakerlake aufgetaucht! Offensichtlich erlebte dabei das Schabenvolk, dass es an diesem Ort nicht mehr angefeindet, sondern liebevoll angenommen wurde, und damit war seine Aufgabe in dieser Wohnung erfüllt.

WR: Erst durch Sie habe ich erahnt, wie die Verheißung der Schöpfungsgeschichte: "...die da herrschen über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel und über alle Tiere..." ohne Missbrauch(!) zu verstehen ist. Sie behaupten ja sogar, nicht einmal die Gewächse im eigenen Garten, geschweige denn die Tiere, seien Eigentum des Gärtners!

EB: Wir vertrauen den Samen der Erde an und alles wirkt mit, dass daraus dasjenige Gewächs entsteht, welches im Samenkorn angelegt ist, "doch Wachstum und Gedeihen, das liegt in Gottes Hand"! Aus Sicht der Kooperation ist "Herrschaft" zu verstehen als liebevolle Anleitung eines be-wussten älteren Bruders zum Wohle seiner jüngeren Tiergeschwister. Je mehr ein von Menschen betreutes Naturwesen von vermeintlichen Schädlingen bedrängt wird, desto deutlicher zeigt es seinem "Herrn", dass es dringend mehr Liebe braucht, und an dieser Aufgabe kann sich der Herr auch mit noch so viel Gewalt nicht vorbeistehlen. Die vermeintlichen Schädlinge haben genau diese Aufgabe des Sichtbarmachens eines Mangels.

WR: Bitte genauer.

EB: Wie ein Rechner getreulich ausdruckt, was man in ihn eingibt, so drückt ein Garten das aus, was man einbringt: Wer mit Ärger über sich, über andere oder gar über den Garten und seine Wesen in diesen tritt, dem "wird es der Garten zeigen"!

WR: Wie verstehen Sie das Gebot: "Du sollst nicht töten"?

EB: Tötung der eigenen Art ist abzulehnen. Tiere und Gewächse in Liebe und Achtung getötet und zwar eigenhändig und nur zur eigenen Ernährung, ist aus meiner Sicht keine Sünde. Damit erübrigt sich jede gefühllose Massentierhaltung und liebloser Plantagenanbau.

WR: Jesu erstes Wort an die Mitmenschen ist (Mt.4,17) metanoeite (denkt um!). Dies entspricht Rö.12,2 "Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene." Wie verstehen Sie dies?

EB: Nach einiger Zeit des Umdenkens und innerer Vorbereitung sollten wir prüfen, was wirklich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene in Gottes Willen ist, indem wir im menschlichen Bereich vermeintliche Terroristen und im landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bereich vermeintliche Schädlinge einladen und willkommen heißen. Es wurde bereits -genauso wie bei christlichen Gefängnisbesuchen - auch in der Landwirtschaft häufig erlebt, dass Gott diese Wesen ganz anders gemeint hat, als wir sie bisher wahrgenommen haben. Und erst dadurch wurden diese Wesen von ihren Verhaltenszwängen erlöst!

WR: Zu unserer großen Freude erfahren wir, dass Sie auch Heilbehandlung ausüben. In Ihrem Buche erzählen Sie ja, dass Sie einmal von zu Hause aus südfranzösische Heuschrecken überredeten, einen Rosengarten einer dortigen Freundin nicht mehr alljährlich kahlzufressen.

EB: Wir wissen beide, dass Feindschaft aus Sicht der geistigen Welt ein Irrtum ist. Und damals machte ich mir auf der viel höheren geistigen Ebene bewußt, dass diese Frau und die Heuschrecken als gleichwertige Kinder Gottes ja Geschwister sind. Die Folge war, dass diese Freundschaft und Geschwisterlichkeit sich auch in der sichtbaren Welt zeigte, indem die Heuschrecken in die benachbarte Wildnis abwanderten.

WR: Sie nennen Ihren Garten zwar nicht "Eden", aber irgendwie scheinen Sie doch schon ins Paradies zurückgefunden zu haben. Wie stellen Sie sich die Zukunft vor, wenn dies immer mehr Menschen täten?

EB: Dies wäre eine wunderbare Erlösung für die Erde, für alle Naturwesen und gerade für uns Menschen selbst! Dies ist freilich ein weiter Weg, aber zu meinen Lehrgängen finden nur Menschen, die dies auch für möglich halten. Wenn wir Besitzgier, Eigensinn, Lieblosigkeit, Ausbeutung und Gewalt unter Menschen endlich überwinden wollen, dürfen wir die Naturwesen nicht aussparen. Erst dann wird unsere auf überfließenden Reichtum angelegte Schöpfung voll erlebbar. Das Paradies war ja nicht damals und dort, es kann doch jederzeit und überall verwirklicht werden!


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