Aus der Zeitschrift EinSicht Frühjahr 2013

Jedes Jahr, wenn die ersten Frühlings-sonnenstrahlen über das Land huschen und die Lüfte lauer wehen, fragst du:
Sumpfdotterblume 1„Ob die Sumpfdotterblumen wohl schon blühen?“
„Natürlich nicht, es dauert noch, bis ihre Zeit gekommen ist“, entgegne ich.
Voller Erwartung geht dein täglicher Ausflug nun entlang der Birken und Espen, hin zum Bach. Drei Schritte durchs Gras, und du entdeckst schließlich von der flachen Böschung aus an seichten Wasserstellen die ersten fleischigen Blätter. Der kleine grüne Fleck vergrößert sich von Tag zu Tag.
„Aber wo bleiben die  Knospen  und Blüten?“     
wunderst du dich weiter.Deine Ungeduld amüsiert mich. 
 Beim nächsten Spaziergang begleite ich dich. Enttäuscht zeigst du mir die vielen Blätter ohne Blüten.
„Wir müssen die sperrigen Haselsträucher umrunden, um dem Bachlauf weiter folgen zu können. Vielleicht haben wir dort mehr Glück.“ Mit diesen Worten eilst du voraus.   Das Licht der Sonne spiegelt sich golden im Wasser. Wie herrlich der Tag ist!
Dann plötzlich dein Aufschrei! Im Gehölz knackt es. Du balancierst, springst im Laufen und umklammerst einen Baum, an dem du Halt und Stand findest „Bleib bitte zurück, hier ist es sumpfig! Der Bach ist über seine Ufer getreten und überschwemmt alles“, höre ich dich rufen.  
Dann darauf dein Jubel:
„Da, schau dort! Dottergelbe Blüten, weit und breit die ersten und viele kleine Knospen noch. Wasser bringt Leben!“
Du deutest über den Wasserstrudel hinweg auf das gegenüberliegende Bachufer.
Endlich! Jetzt ist die Zeit der Sumpfdotterblumen gekommen.
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        Sumpfdotterblume 2Foto: L. Burgard   Narzissen
Mitte April reisen wir durch Schleswig Holstein. Es ist kurz nach Ostern. Begrüßt von unzähligen Narzissen, gelb und weiß in Knospen und Blüten, ziehen wir in der Hohwachter Bucht ein. Ein kühler Wind, glasklare frische Luft und Sonnenschein umarmen uns auf unserem ersten Orientierungsgang der Ostseeküste entlang. Noch halten die Bäume ihre Blätter zurück. Wir genießen unsere freien Blicke durchs Geäst  über das dunkelblaue, leicht gekräuselte Wasser, bis zum Horizont. In warme Kleidung gehüllt, erleben wir so die ersten Tage und trotzen wechselnd dem Wind und dem Wetter. Wir  sind überrascht vom grünen Hügelland unter hohem Himmel und spüren die zunehmende Frühlingswärme auf unseren Touren.

Heute umrunden wir den Selenter See. Die Sonne meint es wirklich gut, so dass wir bei nächster Gelegenheit einen Parkplatz ansteuern, um uns etwas Bewegung auf einem Spaziergang in der herrlichen Natur zu verschaffen. Ein Fußweg zum Strand ist angezeigt. Den nehmen wir. Unsere Windjacken haben wir locker über die Schultern gehängt. Sie wärmen uns zu sehr. Hinter einem Wohngebiet schlängelt sich ein grasbewachsener Feldweg. Hier gehen wir langsam durch duftende Wiesen, bis der lichte Buchenwald uns in seinem Schatten aufnimmt. Das ist wohltuend! Erstes helles Grün zeigt den Frühling an.

Bächlein rinnen und versiegen, und aus gefassten Quellen fließt klares Wasser. Wir holpern über Stock und Stein.

Dann endlich mündet er in einen breiten, weichen Waldweg, den wir nach links einschlagen. Das muss der richtige sein!

Der Wind hat sich wieder aufgemacht. Er rauscht durch die Baumwipfel. Wir sind froh, nach unseren Jacken greifen zu können bei wechselnden Temperaturen durch Licht und Schatten. Wir gehen und stehen und setzen unseren Weg fort, um nichts von dieser wunderbaren Welt im Walde zu übersehen. Das Sonnenlicht, das mit uns wandert, Baumstämme anstrahlt und sich hinter den nächsten versteckt, das goldene Flecken weit geöffneter Sternblüten auf den Waldboden gezaubert hat und dann Wärme über den großen See schickt, dessen Wasser in kurzen spiegelnden Wellen durchs nahe Schilf gluckert, erleben wir voller Glück. Blühende Buschwindröschen schauen uns immer wieder entgegen.

Wir schlagen den schmalen Trampelpfad ein, direkt auf den See zu, begleitet vom Vogelgesang um uns herum, wie ihn nur der Frühling bietet.

Der Weg unter unseren Füßen wird weicher. Nässe steigt auf. Einen Blick noch über die schwankenden Wassergräser auf den bewegten See, dann kehren wir um mit den huschenden Sonnenstrahlen, die restliches Winterlaub und zartes Maiengrün in leuchtende Farben tauchen.
Ein zweites Frühlingserwachen!
Dotterblumen in prächtigen, übergroßen Blüten schauen neben uns aus sumpfigem Boden. Heute haben wir nicht nach ihnen gesucht.

Diesmal hat uns der Frühling, gute fünfhundert Kilometer weiter gen Norden, mit
Blumen im Wasser überrascht.

 


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